Ich stehe vor dem viel zu kleinen Eisfach meines Kühlschranks und versuche eine Spinatpackung sowie fünf Scheiben Graubrot unterzubringen. Gefrorenes Kondenswasser fällt auf den Küchenboden und zerspringt in tausend kleine Kristalle. Ich drücke das Eisfach fest zu. Innen knirscht es wie das Warten fester Winterstiefel durch eine dicke Schneedecke. Sekunden später springt die Plastiktür wieder auf.
Das Eisfach zieht meinen Blick in sein gefrorenes Inneres. Tofu-Pakete. Selbstgemachte Semmel-Knödel. Anderer Spinat. Mojito-Eis. Bei den Fischbällchen zieht sich kurz mein Magen zusammen. Das meiste liegt da schon seit anderthalb Jahren. So lange habe ich nicht mehr in das Eisfach geguckt, denke ich.
Ich sehe A. mit Stäbchen im Hot Pot nach Tofu-Paketen suchen. Sie lacht laut, voller Wärme. So wie A. immer lacht. Sie fischt eine Menge Enoki-Pilze aus dem Hot Pot und freut sich über die kleinen Pilzköpfe. Ihre Freude über das Einfache, das klar Fassbare steckt an dem Abend alle an. Der Abend ist gerettet, so wie fast jeder Abend mit A. war dieser eingebettet in Leichtigkeit.
In die Plastikbeutel, die es im Supermarkt für Obst und Gemüse gibt, stecke ich nun gefrorene Lebensmittel. Hoffentlich reißt sie nicht diese hauchdünne Tüte, denke ich.
Ob die Erinnerung an A. und den Hot Pot Abend noch einmal wiederkommt?, frage ich mich, während ich die Tofu-Pakete in den Plastikbeutel stecke. Und überlege, sie wieder zurück ins Eisfach zu legen, die gefrorenen Erinnerungen noch einmal aufzubewahren, sie vor dem Vergessen zu schützen. Dann knote ich den Plastikbeutel zu.
Als ich aus dem Mülltrennraum zurück in meine Wohnung gehe, kommt mir eine Frau mit medizinisch blauer Maske entgegen. Die Maske leuchtet in der Dunkelheit, sie trägt einen knielangen schwarzen Mantel, ihre Schuhe klacken auf dem Bordstein.
Verlieren wir die Erinnerungen und Geschichten, wenn wir die Dinge, an denen sie haften, wegwerfen?
An den Fischbällchen hing eine Freude, die nicht meine war. Eine Autotür fällt irgendwo in der Straße zu, während ich die Haustüre aufschließe. Und ich frage mich, was A. wohl zu den Tofu-Paketen sagen würde. Ganz sicher würde sie sich an den Abend erinnern können.