60 Sorten Bier und Bounty

Raketenfeinstaub November 18, 2020

„Lieblingskiosk“ blinken rote LEDs auf der Anzeige, kurz darauf verkünden die LEDs „60 verschiedene Biersorten“.
Drinnen ist zu viel los, das heißt, im Moment steht eine Person vor der Ladentheke und eine befindet sich dahinter. Warten, weitergehen, warten? Weitergehen.

Die Musik auf ihren Kopfhörern nervt, die Bahnhofsuhr geht falsch, zehn Minuten zu früh, sie skippt ein Lied weiter.

waiting for the rain to flush it all away

Auf dem Bahnhofsvorplatz bauen Männer in blaugrauen Overalls ein Metallgerüst auf. Die Overall-Farbe würde man taubengrau nennen, doch das tut nichts zur Sache. Eine Frau in 80er-Jogginganzug-Jacke schleift an ihr vorbei, der Blick der Frau klebt am Boden.

Der Bahnhofskiosk leuchtet grell. Snickers, Kitkat, Mr. Tom, Bounty. Sie möchte weiße Schokolade, der Mann hinter der Theke wartet auf ihre Bestellung, sie geht noch einmal die Auswahl durch. Fisherman’s Friend Packungen in türkis, gelb, pink, hellblau und mintgrün liegen unterhalb der Schokoriegel. Weiße Schokolade gibt es nicht. Die sollte ein Geschenk sein, sie nimmt die Kitkat-Packung in die Hand, fährt über die Verpackung, schiebt diese zwischen Zeigefinger und Daumen hin und her, legt sie wieder zurück. Sie spürt, wie sich der Mann hinter der Theke aufrichtet, es ist der Moment, etwas zu sagen, besser zu kaufen, sie murmelt „Entschuldigung“ und entschwindet auf die Rolltreppe.

20 Uhr streift Tristesse.

Sie beobachtet eine älteren Frau dabei, wie diese einen schwarzen Rollkoffer und riesige Einkaufstaschen umpackt, ordnet.

Mate klebt an ihrer Hand „schraub die Flasche richtig zu“, hört sie die elterliche Stimme sagen, erwidert „jaja“ in Gedanken und wischt die Hand an ihrer Hose ab.

„Am Bahnhof sieht man, wen der Lockdown zuerst trifft“, denkt sie.

Sie bleibt stehen, blickt zurück, schaut zur Anzeigetafel hoch.
Acht Minuten noch.
Die Deutsche Bahn lässt Normalität über die Gleise laufen.
Wer hätte das gedacht?